Erklärung
Der Vorstand des Ökumenischen Netz Rhein Mosel Saar
Das Thema Schuldenerlass muss auf der Tagesordnung der G7 bleiben!
Es ist zu befürchten, dass Verschuldung und Finanzmärkte keine Themen des G7-Gipfels in Genua sind. Der Vorstand des Ökumenischen Netzes Rhein-Mosel-Saar fordert, diesen Themen größte politische Priorität beizumessen; denn
Der beim Kölner Gipfel 1999 beschlossene Schuldenerlass bleibt unzureichend und ist keine Lösung für die Verschuldungsproblematik.
- Zwar konnte bei einigen Ländern die Schuldenlast reduziert werden. Dies gilt auch für Bolivien, einem Land mit dem uns die Partnerschaft des Bistums Trier besonders verbindet. Ob die Reduktion der Schuldenlast jedoch zu einer besseren und wirksameren Armutsbekämpfung und damit zu einem Gewinn für die Bevölkerungsmehrheit führen wird, ist offen. Andere Länder hingegen müssen auch nach dem Schuldenerlass ähnlich hohe Summen für Tilgungen und Zinsen zahlen wie zuvor. Kamerun, Honduras, Malawi, Mauretanien und Guinea werden zwischen 15 und 35% der Haushaltseinnahmen für den Schuldendienst ausgeben müssen. Eine Reihe von Ländern muss gar mit einem Anstieg des Schuldendienstes (Schulden- und Zinszahlungen) rechnen. Hochverschuldete Länder mit einer hohen Armutsrate (z.B. Ecuador, Peru, Brasilien, Argentinien) sind nicht in die Entschuldungsinitiative einbezogen.
- Kritisch zu hinterfragen ist das Kriterium ‚Gute Regierungsführung’, das IWF und Weltbank als Voraussetzung für Entschuldung propagieren. Dieses Kriterium erweckt den Eindruck, allein die Regierungen der verschuldeten Länder seien für die Verschuldung verantwortlich. Die armen Länder leiden aber vor allem unter wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die von der Politik in den Gläubigerländern zu verantworten sind. Zudem gibt es angesichts der fehlenden Kontrolle der Geldwirtschaft und der Orientierung der Politik an deren Interessen zunehmende Demokratiedefizite. Demokratisch nicht kontrollierte wirtschaftliche Entscheidungen in den Konzernen und an den Geld-und Aktienmärkten haben oft mehr Auswirkungen auf das reale Leben der Menschen als politische Entscheidungen von Regierungen und Parlamenten. ‚Gute Regierungsführung’ im Interesse der Verwirklichung von realer Demokratie und Menschenrechten muss für Regierungen des Südens wie des Nordens eingefordert werden.
Wenn Armutsbekämpfung eine reale Chance haben soll ist die Veränderung der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen unabdingbar.
- Da die Rolle des IWF und seiner Strukturanpassungsprogramme als makro-ökonomische Rahmenbedingung unangetastet bleibt, dürfte der Spielraum für eigenständige und an den Interessen der amen Bevölkerungsmehrheiten orientierte Wege der Armutsbekämpfung und für eine eigenständige Wirtschaftspolitik gering sein. Voraussetzung dafür ist die Beendigung des Diktats neoliberaler Strukturanpassung. Auch die mit dem Schuldenerlass verknüpften Strategiepapiere zur Armutsbekämpfung orientieren sich vor allem an den Vorstellungen der Regierungen, des IWF und der Weltbank. Zwar können in einigen Ländern die Armutsbekämpfungsprogramme von Basisorganisationen genutzt werden, um politische und soziale Spielräume zu erweitern und die Strukturanpassungsprogramme zu konterkarieren. Angesichts der bestehenden Rahmenbedingungen ist zu befürchten, dass insgesamt die angestrebte Beteiligung der Zivilgesellschaft zu wenig im Interesse der Armen verändern kann.
- Selbst größere Entlastungen wären durch die herrschenden weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen schnell wieder ‚aufgefressen’: durch sinkende Rohstoffpreise, steigende Preise für Importe, Folgewirkungen der Finanz- und Währungskrisen vom Ende der 90er Jahre (Süd-Ost-Asien, Brasilien, Russland), Auswirkungen neoliberaler Globalisierung...
- In die Diskussion um Entschuldung muss der Aspekt der Illegitimität von Schulden verstärkt berücksichtigt werden. Schulden sind illegitim, wenn sie zur Aufrechterhaltung von menschenverachtenden Regimes (z.B. Südafrika) oder für u.U. sogar mit Hermesbürgschaften geförderte Großprojekte, deren Durchführung mit massiven Menschenrechtsverletzungen verbunden waren, verwendet wurden. Zur Beurteilung der Illegetimität von Schulden sind immer auch die Auswirkungen der Zins- und Schuldenzahlungen auf die Bevölkerung zu beachten. Dies betont auch Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Centesimus
annus: „Es ist ... nicht erlaubt, eine Zahlung einzufordern oder zu beanspruchen, die zu politischen Malnahmen zwingt, die ganze Völker in den Hunger und in die Verzweiflung treiben würden. Man kann nicht verlangen, dass die aufgelaufenen Schulden mit unzumutbaren Opfern bezahlt werden.“ (Nr.35) Bezieht man die verheerende Geschichte des Kolonialismus und ihrer zerstörerischen Folgen in die Diskussion ein, ist die Frage zu stellen, ob nicht alle Schulden der vom Kolonialismus betroffenen Länder illegitim sind.
Weltwirtschaftliche Strukturveränderungen müssen heute gefordert werden, damit sie morgen eine Chance auf Verwirklichung haben. Aber bereits heute muss und kann politisch gehandelt werden. Daher fordert der Vorstand des Ökumenischen Netzes:
- Schuldenerlass auch für Länder, die nicht zu den ärmsten gehören, aber dennoch eine hohe Armutsrate zu verzeichnen haben.
- Die Einführung eines fairen und transparenten Schiedsverfahrens: Eine unabhängige Instanz muss entscheiden, wie entschuldet wird. Die Gläubiger dürfen nicht länger Richter in eigener Sache sein.
- Ein Moratorium, das die Zinstilgung aussetzt, bis ein faires und transparentes Schiedsverfahren durchgesetzt ist.
- Die Beendigung der Strukturanpassungsprogramme und die Förderung von Armutsbekämpfung in engem Kontakt mit sozialen Bewegungen, die sich für eine Verbesserung der realen Lebenssituation der Bevölkerung einsetzen.
- Die Diskussion über Entschuldung muss weitergeführt werden zu einer Diskussion über internationale Handels- und Finanzpolitik. In diesem Sinn unterstützt der Vorstand des Ökumenischen Netzes die Forderungen von attac nach einer demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte und nach der Einführung einer Devisenumsatzsteuer gegen weltweite Spekulation und zur Finanzierung von Entwicklung.