Anne Lonsdorfer, Mission catholique BP 13 Bongor, Tchad 00235/50 81 74 Dezember 2004

 

Liebe Verwandte, Freunde und Bekannte in Deutschland,

 

die Zeit vergeht, das Jahr geht zu Ende und ich bin schon fast ein Jahr hier. So sende ich euch allen mit meinem zweiten Rundbrief einen sommerlich warmen Gruß aus Bongor ins winterliche Deutschland.
Ein ganz herzliches Dankeschön sage ich allen, die mir in den vergangenen Wochen und Monaten geschrieben oder meine Arbeit im Gebet und mit Projekten und Spenden unterstützt haben. Ich merke, dass mir jedes Zeichen der Verbundenheit gut tut und mich freut. Rundbriefe sind informativ, Briefe sind kommunikativ. Ein Freitag, an dem nur die Zeitungen, aber kein Brief ankommt, ist irgendwie ein trauriger Freitag.

Bleibt zu sagen, dass wir hier in Bongor das Glück haben, dass jeden Freitag das staatliche Postauto seine Tour durch das Land fährt, um die Post zu befördern. Sie kommt ziemlich regelmäßig an, denn das Auto ist relativ neu und in gutem Zustand. Die Kollegen in Pala müssen ihre Post immer selber von N’Djamena mitnehmen, denn es gibt keinen öffentlichen Transport nach dort.

Normalerweise beantworte ich jeden Brief, der hier ankommt, persönlich. Das kann 2-3 Monate dauern, weil die Post in beide Richtungen 2-6 Wochen braucht, um Briefe zu befördern. Wer geschrieben, aber keine Antwort hat, dessen Post ist unterwegs verloren gegangen, was leider immer wieder vorkommt.
Also vielen Dank für alles.

In den 11 Monaten meines Aufenthaltes habe ich mich in Bongor gut eingelebt. Dazu beigetragen hat mein Umzug in ein schönes kleines Haus in der Stadtmitte, im Quartier Commerçants, wo ich mich gemütlich eingerichtet habe und mich wohl fühle. Hier habe ich meinen eigenen Kühlschrank und kann Gäste einladen, wann ich will. Meine Freundin Hedwig hat mich im Oktober besucht, was für mich eine große Freude war und ich habe den Austausch mit ihr sehr genossen. Wenn also jemand eine ganz fremde Kultur erleben möchte, Lust auf Sonne hat und den Mut zum Aufbruch, dann steht mein Haus ihm jederzeit offen!

Mir persönlich geht es gut. Die Regenzeit von Juni bis Oktober habe ich mit etwas Müdigkeit wegen den schwül heißen Klimas, aber ohne nennenswerte Krankheiten verbracht. Jetzt ist es zum Aufatmen am Abend mit Temperaturen um die 20 °, nachts kann es etwas kälter werden.
Die kürzeren Tage (1 Stunde) und kühleren Nächte des Dezember lassen die kalte und dunkle Jahreszeit in Deutschland erahnen, aber wenn dann mittags das Thermometer auf 35-40° steigt, ist es auch wieder schwierig winterliche und weihnachtliche Gefühle zu haben.

Meine direkten Nachbarn sind Muslime unterschiedlicher Ethnien. Rechts und links des Hauses ist eine kleine Moschee, der Ruf des Muezin gibt eine Orientierung für die Tageszeiten wie die Glocken in Deutschland, die den Angelus läuten. Der Lärm der spielenden, singenden oder weinenden Kinder ist mein ständiger Begleiter, genau wie das Plaudern der Passanten, Brummen der Motorräder, das Rattern der Getreidemühle und das Singen der Vögel. Im kleinen Laden des Nachbarn kaufe ich Brot und Zucker ein. Wenn ich morgens, mittags oder abends das Haus verlasse oder ankomme, grüßt immer eine Schar von Kindern mit einen lautstarken und frohen: "Nassara, lallé!"

Nassara ist ein arabisches Wort für Weisse, ursprünglich hat es mit Nazareth zu tun, also die Nassara sind die, die dem Nazarener, Jesus, nachfolgen.

Was meine Arbeit betrifft...

So bin ich sehr froh und dankbar für die vielen bereichernden Erfahrungen, die ich in der Begleitung der Kranken und ihrer Familien mache.
Normalerweise sind es 3-4 Personen, die ich persönlich begleite. Meistens sind es junge Menschen, deren Herz stark ist ... wie z.B. Batouloum, den ich seit zwei Monaten regelmäßig besuche. Er lebt in der Consession seiner Mutter.

Consession ist die Bezeichnung, für den Ort, an dem eine Familie zusammenlebt. Es handelt sich um einen größeren Innenhof, in der Regel mit mehreren Hütten umgeben, die des Mannes, seiner Frauen, der älteren Kinder, für die Tiere, dem Getreidespeicher, der Küche... Es lebt in einer Consession meistens die Großfamilie: der Mann mit seiner Frau oder seinen Frauen, vielleicht eine verwitwete Schwester, alle ihre Kinder, oft auch verwandte Jugendliche, die hier in Bongor sind, um die Schule zu besuchen. Hier in Bongor sind die Consessionen meistens mit einer Mauer aus Sandsteinen umgeben, in den Dörfern sind es Strohzäune, beide müssen regelmäßig erneuert werden.


Batouloums Frau ist im vergangenen Jahr an dieser Krankheit gestorben. Weil man diese junge Frau beschuldigt, das Unglück über die Familie zu bringen, weil man nicht mit der Krankheit umgehen konnte, weil man verärgert war, hat man sie kurzerhand zurück auf das Dorf zu ihrer Familie geschickt und niemand aus der Familie ihres Mannes hat an ihrer Beerdigung teilgenehmen dürfen, so der Wille des Vaters des Kranken. Ihr einziges Kind war schon vor der Mutter gestorben, und nun wird wohl auch Batouloum sich bald verabschieden. Er hat mir gesagt, er habe keine Angst vor dem Tod. Selbst im größten Leid ist er ein sozialer, aufmerksamer Mensch, der das wenige, was er hat, mit seinen Brüdern und Schwestern teilt. Von Beruf ist er Maurer, er hat an vielen Baustellen der Mission von Bongor und der Dioezese Pala mitgearbeitet und erzählt stolz von seinen Konstruktionen.

Eine andere Kranke, Margarite, die ich hustend, zu schwach zum Gehen, auf ihrer Matte sitzend angetroffen habe, habe ich überzeugen können, sich im Krankenhaus auf Tuberkulose testen zu lassen. Jetzt ist sie auf der Station der TBC-Kranken im Krankenhaus und es geht etwas besser. Normalerweise dauert die Behandlung der Tuberkulosekranken einige Monate, aber man hat guten Erfolg. Leider ist bei 50% der Patienten die Tuberkulose eine der opportunistischen Infektionen von VIH/SIDA.

Opportunistische Infektionen sind die Krankheiten, die normalerweise geheilt werden können, die bei Aidskranken wegen des zerstörten Immunsystems gehäuft, d.h. mehrere gleichzeitig auftreten und endlich töten: z.B. Husten, Durchfall, Herbes, Entzündungen im Mund, Gürtelrose, eiternde Wunden, Hautveränderungen, Augenentzündungen..

Margarite ist seit 11 Jahren in Kamerun verheiratet. Dass sie keine Kinder hat, ist in dieser Gesellschaft eine Katastrophe, denn in der Mentalität der Menschen hat ein Leben ohne Nachkommen keinen Sinn. Ihr Mann hat sie ohne einen Pfennig Unterstützung krank zu ihrer alten, armen Mutter nach Bongor zurückgeschickt, zum Sterben. Mit Tränen in den Augen erzählte sie mir das. Ich verstehe gut, abschoben zu werden tut weh. Sie hat sicher alles für das Wohl ihres Mannes getan. Jetzt lebt sie in der kleinen, engen Hütte zusammen mit der Mutter, einer 16jährigen Schwester und einer 7 jährigen Nichte, die eine Behinderung am Knie hat. Dieses Beispiel zeigt deutlich die Schwäche der Frauen, ihre Anfälligkeit für die Krankheit und ihr Ausgeliefertsein.

 

Die Begleitung der Kranken ist für mich eine tiefgehende Erfahrung.
Es prägt sich tief ein, den Kranken immer schwächer, immer abgemagerter, immer leidender zu sehen und mit ihnen den Tag des Abschieds entgegenzugehen.
Besonders am Ende des Lebens ist eine Begleitung in der Muttersprache notwendig, weil alles so ganz einfach und ganz persönlich wird.
Nicht nur deshalb habe ich zusammen mit Sr. Irma, einer Mexikanerin, inzwischen eine Ausbildung von 23 Personen für dieses Engagement der Sterbebegleitung begonnen. Die Basisgemeinden haben ihre Schwestern und Brüder für dieses Engagement bestimmt. Alle sind sehr motiviert, zu lernen und sich in den Dienst der Kranken und deren Familien zu stellen.
Jetzt bin ich schon in Verhandlungen mit den Verantwortlichen in Pala, damit sie uns zur Behandlung der opportunistischen Krankheiten Medikamente zur Verfügung zu stellen. Somit ermöglichen wir in vielen Fällen den Kranken, die oft unglaublich viel Schmerzen haben und leiden, ein würdevolleres Sterben.

 

Was meine Arbeit betrifft,

so habe ich viele Anstöße und Anregungen durch die Sensibilisierungen, die Informationen und Gespräche, die ich mit den verschiedenen Basisgemeinden der Pfarrei Bongor und Djouman gemacht habe.

Das hat einen doppelten Effekt:

In dem Kontext der Sensibilisierung habe ich auch Kontakte mit verschiedenen Jugendgruppen, die mehr wissen und sich engagieren wollen.

Einige spielen in selbstgeschriebenen Theaterstücken die Missstände des Landes und geben so Informationen über HIV/AIDS oft mit viel Humor. Andere sind interessiert, sich selbst den Fragen von Aids zu stellen und ihre Einsichten mit ihren Freunden und Nachbarn zu teilen. Was mich bei diesen Gesprächen motiviert, ist zusammen mit den Jugendlichen eine Vision des Lebens, eine positive Perspektive zum Leben zu entwickeln. Es ist eine große Herausforderung für die Jugend, einen neues Kontext wie einen Gegenstrom zu den üblichen Gewohnheiten zu schaffen, einen eigenen Standpunkt zu haben, ein neues positives Ambiente untereinander zu schaffen.

Was meine Arbeit betrifft

So stehe ich ganz am Anfang eines Engagements rund um die HIV-Tests. Seit einigen Monaten ist es möglich, sich in Bongor testen zu lassen. Die Vor- und Nachbereitung der Tests mit den betroffenen Personen ist eine wichtige und zeitaufwendige Aufgabe, die ich bis jetzt nur im Einzelfall durchführe. Um das "Counselling" gut zu machen, muss ich MitarbeiterInnen ausbilden und auch mehr Räume zur Verfügung haben. Ich hoffe, im nächsten Jahr dazu Zeit zu haben und dann werde ich mehr berichten.

 

Was das Leben in Bongor betrifft...

so habe ich schon über das Leben rund um mein neues Zuhause erzählt.
Zu meinem neuen Alltag gehören auch der regelmäßige Einkauf auf dem Markt. Dank der Nähe mit Kamerun, Bongor ist die Partnerstadt zu Yagouar, 15 km entfernt, gibt es das ganze Jahr über hier frisches Obst und Gemüse, Bananen, Tomate, Gurken, Salat, Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Kohl, Bohnen, aber auch Goyaven, Melonen, Papayas, Mangos und Zitronen. Die Qualität ist immer Bio und der Geschmack, z.B. der Bananen, die es in ganz unterschiedlichen Sorten gibt, viel süßer und kräftiger als wir es gewohnt sind. In Bongor kann man auf dem Markt alles zum Leben Wichtige kaufen.

Zum Wohlstand gehören dann die aus N’Djamena importierten Güter wie Butter, Käse, Schinken, Olivenöl und Pfeffer.

Als Pere Carlo, der Juli nach Kamerun ging, jetzt zu Besuch da war, sagte er:
"Ich erlebe die Stadt ganz verändert, sie ist wie deprimiert."
Normalerweise sollte am ersten Oktober nach 3 Monaten Sommerferien die Schule wieder beginnen. Bis heute, Anfang Dezember, war noch kein Tag Unterricht. Es arbeiten nur die privaten Schulen, die sehr teuer sind. Alle staatlichen Schulen sind geschlossen, weil die Lehrer 4 Monate Gehalt einfordern. Die Schüler langweilen sich... oder sind noch gar nicht nach Bongor zurückgekommen.
Ebenso sind seit Mitte Oktober alle drei Krankenstationen der Stadt geschlossen und das Krankenhaus hat nur einen Notdienst, der vom Chefarzt und einigen Praktikanten aufrechtgehalten wird. Man darf also nicht krank werden!
Die Beamten haben kein Gehalt, kaufen also weniger ein, folglich verdienen auch die Händler und verkaufen die Marktfrauen weniger, also sinkt der Umsatz und das generelle Einkommen.
Das Ärgerliche daran ist, dass es in Bongor Geld gibt. Jeden Tag durchqueren große Viehherden der Araber die Stadt, für die eine Taxe bezahlt werden muss. Es sind erhebliche Summen, die eingenommen werden und die in den Taschen der Zöllner, der Verantwortlichen der Stadt, des Gouverneurs verschwinden. Man sagt, wenn ein neuer Zollchef nach Bongor kommt, innerhalb kurzer Zeit hat er ein schönes Haus und ein teures Auto. Woher kommt das Geld? Es ist gestohlenes Geld, das den Beamten zukommen sollte. Das Ergebnis sehen, spüren, erleben wir jeden Tag.


In dieser Regenzeit hat es in Bongor nicht ausreichend geregnet, der Regen kam sehr unzuverlässig und die für den Reisanbau notwendige Überschwemmung durch den Logone war nur eine Woche auf ihrem Höhepunkt, sodass sowohl die Hirsefelder wegen des Regens und manche Reisfelder wegen des Wassers nicht ausreichend tragen und die Bauern umsonst gearbeitet haben.
Und wo die Felder tragen, muss man sie bewachen. Damanu, das Mädchen, das mir im Haus beim Putzen hilft, sagte mir, dass ihr Vater jeden Abend auf dem Hirsefeld schläft, damit er die Ernte gegen Diebe verteidigen kann. David, ein Mitarbeiter, erzählte, ihm sei sein gesamtes Erdnussfeld gestohlen wurde. Die Leute lachen meist, wenn sie solche Infos austauschen, ich weiß nicht, ob es aus Hilflosigkeit, Schadenfreude oder Gewohnheit ist. Jedenfalls versichern sie mir alle: "On ne peut rien faire"
Bei mir zuhause fühle ich mich sicher gegen Diebe, denn rund um mein Haus wohnen arabische Familien, durch deren Consession man muss, um zu mir zu kommen, nach der anderen Seite ist eine hohe Mauer und Samsia, mein Wärter, versichert mir immer wieder, dass er da ist und aufpasst und noch nie etwas gestohlen wurde. Trotzdem bin ich wachsam.

 

Was das Land Tschad betrifft

So ist es ja immer mal wieder in den Schlagzeilen aufgrund des Darfour-Konflikts und der Flüchtlinge, die im Tschad leben. Bongor liegt ganz an anderen Ende des Landes. Ein Vorteil für uns ist, dass das Militär dort gut beschäftigt ist und uns nicht belästigt mit Kontrollen.
Man hört immer wieder beträchtliche Zweifel, ob die für die Flüchtlinge gespendeten Gelder ihnen wirklich zu Gute kommen. Wenn es über die Regierung des Tschad geht, landet sicher ein Teil in der eigenen Tasche, ein anderer Teil wird in die Anschaffung von Waffen gesteckt, vielleicht sogar zur Bewaffnung der Flüchtlinge dienen, soweit die der Ethnie des Präsidenten angehören.
Man muss wissen, dass die Regierung des Tschad eine der Korruptesten der Welt ist nach der Skala der UN. Korruption ist der Untergang jeder Entwicklung.

Eine direkte Auswirkung des Konflikts in unserer Gegend ist die vermehrte Anzahl von Nomaden, die nach Land für ihre Herden in den südlicheren, dichter besiedelten Teilen des Landes suchen. Dabei führen sie ihre Herden immer wieder in die Felder der Bauern und verwüsten sie. Die Nomaden sind meist reich, bewaffnet und Araber, die mit den Autoritäten zusammen arbeiten, sie bestechen und ihre Rechte durchsetzen.

Malik, ein Journalist von Radio Terre Nouvelle, mit dem ich über Darfour sprach, erklärte kurzerhand: "Darfour ist weit weg. Unser Darfour ist in Silija." Und meint damit einen kleinen Ort in der Pfarrei Djouman in unserer Zone, wo vor drei Wochen die Bauern und Viehzüchter sich bekriegten mit dem Ergebnis, dass es auf beiden Seiten mehrere Tote gab, mehr als 240 Consessionen der Bauern mit der gesamten Habe und der Ernte abbrannten, und die Menschen aus Angst in die Brousse geflohen sind, wo sie zum Teil aus Angst noch immer sind. Schulen wurden angezündet und das Haus von Père Alois ist auch vernichtet. Das katholische Radio Terre Nouvelle hat einen wichtigen Dienst zur Information und Aufklärung der Bevölkerung geleistet. Die Verantwortlichen waren vor Ort und der Konflikt scheint beigelegt zu sein......

Jean Wihouwna, ein langjähriger Mitarbeiter aus Gounou Gaya, bestätigte mir in einem Gespräch: "Wir haben zwar eine Demokratische Republik und freie Wahlen nach dem Papier, aber alles bewegt sich mehr und mehr auf eine Einheitspartei und eine Diktatur hin. Bist du in der Partei von Deby (MPS) hast du alle Vorteile und kannst von dem korrupten Geld profitieren. Bist du in der Opposition, dann bist du nichts, dann hast du in dem Land keine Chance aufzusteigen und Geld zu verdienen".
Das ist sehr kurz und vereinfacht das, was im Moment in der Vorbereitung auf die nächste Wahl passiert. Idriss Deby hat mit seiner Mehrheit im Parlament im diesem Jahr schon die Konstitution so geändert, dass er wieder gewählt werden kann. Er wird auch die kommende Wahl zu seinem Vorteil manipulieren.

In Zusammenhang mit den Aidsprojekten im Tschad, haben wir als Kirche die Haltung der Regierung kennen gelernt und eine deprimierende Erfahrung gemacht. Unaids, die Organisation der UNO, die weltweit, aus verschiedenen Quellen gespeist, für die Verteilung der zur Bekämpfung von HIV/Aids zur Verfügung Gelder gestellten zuständig ist, hat auch dem Tschad etliche Millionen Dollar zukommen lassen. Die Kirche hat alle Jahre mit der PNLS (Programme national Lutte contre le Sida), dem staatlichen Aidsprogramm, zusammengearbeitet und Projekte eingebracht, die an der Basis durchgeführt werden. Vor der Verteilung der Unaids-Gelder hat der Staat seine Taktik geändert und neue Verteilungskriterien festgelegt. Danach werden unterschiedliche staatliche Gruppen und Ämter bedacht, für die Kirche des Tschad bleiben wenige CFA für zwei kleine Projekte in zwei Stadtvierteln in N’Djamena.
Alle Projekte in den anderen Dioezesen, wie also auch in Pala, gehen leer aus. Anders ausgedrückt, die Katholische Kirche wurde benutzt, um an Gelder zu kommen, und dann bewusst ausgespielt. Auf ihrer Tagung jetzt im Dezember werden die Bischöfe in N’Djamena beraten, wie sie reagieren.
Die kirchlichen Projekte sind doppelt betroffen, weil andere Geldgeber sich aus den Aidsprojekten herausgezogen haben mit dem Hinweis auf die Unterstützung des Landes durch Unaids.
Auch im Zusammenhang hört man wiederholt den Verdacht, dass der Staat Geld benutzt für neue Waffeneinkäufe.

Die direkte Auswirkung für mein Projekt ist, dass mir in Pala niemand sagen kann, wie es weitergeht und ein Nachfolger bezahlt werden kann. Schon jetzt finanziere ich alle Aktivitäten, mit den Spendengelder, die ich bekomme. Ich arbeite mit Ehrenamtlichen, das Geld wird hauptsächlich für Ausbildung der Mitarbeiter und die Kranken und ihre Familien verwendet.
Eine andere spürbare Auswirkung der Politik ist, dass alle Leuten glauben, bei den Aidsprojekten sei viel Geld zu holen und tatsächlich bereichern sich ja auch viele, auch Vereinigungen und deren Vorstände. Bei den Betroffenen selbst kommt von den Unaidsgeldern nur ein verschwindend geringer Teil an, wenn überhaupt etwas. Es geht verloren auf der Schiene: Wir sind ja alle so bedürftig.

Die schwierige soziale Situation der Stadt und des Landes aufgrund des Streiks der Beamten hat einen großen Vorteil: sie verdeutlicht die Haltung der Korruption der Regierung und ihr autoritäres Auftreten. Immer mehr Menschen verstehen das. Manche wechseln zur Staatspartei über, andere sind bewusst in Opposition, haben klare Gegenstandpunkte. Es gibt eine große Unsicherheit, wohin das geht, weil offener Widerstand nicht geduldet wird. Gestern sagte Veronique: "Wenn du offen dagegen bist, wird man dich töten." Das ist die Angst, aber so weitergehen kann es auch nicht. Malik, der Journalist, weist einen guten Weg, wenn er sagt: "Es liegt an uns, im Kleinen anzufangen, uns gegen die Korruption zu wehren und davon überzeugt zu sein, das Jeder etwas tun kann. Wir müssen lernen, an unsere eigenen Mittel und Kräfte zu glauben."

Ich beobachte eine wachsende Sensibilität meiner Mitarbeiter für die Missstände und ihre Wurzeln. Menschen, die beginnen sich zu wehren, zu verstehen und ihr Verhalten zu ändern. Das ist ein langer Prozess, der in ganz kleinen Schritten geht, und dem ich viel Aufmerksamkeit widme. In meiner Arbeit mit den Gruppen und mit Einzelnen ist die Reflexion über das eigene Verhalten und das Finden eines Standpunktes eine stete Herausforderung. Und ich kann euch versichern, dass es viele, viele Menschen guten Willens gibt, die auf der Suche sind und die bereit sind sich einzusetzen.

Zwischendrin hatte ich etwas Angst, euch zu viele negative Nachrichten über den Tschad zu geben. Es hat aber auch keinen Zweck, zu beschönigen, zumal in Deutschland die Menschen viel zu wenig informiert sind über die Leiden und die Spannungen, in denen die Menschen hier ständig leben.
Die Situation des Landes beunruhigt mich, aber ich habe keine Angst. Ich fühle mich wohl hier und versuche, meinen Beitrag zu leisten.
Im Alltag gibt es viel Positives, was mich aufbaut und was mich motiviert.

Manchmal wünschte ich, die tchadsche Kirche würde mehr und mehr einen Geist der Befreiung entwickeln, der hilft, den einzelnen aufzurichten und der Gemeinschaft die innere Kraft zum Aufbruch aus der Misere gibt, wie es uns im Buch Exodus der Bibel schon berichtet wird.

 

Weihnachten steht vor der Tür.

Hier fehlen alle Zeichen, die weihnachtliche Gefühle vermitteln
Weihnachten reduziert sich auf das Wesentliche:
Gott wird Mensch.
Seither strahlt uns mit jedem Kind Gott entgegen.
Er wohnt in unseren Herzen.
Wir suchen und finden ihn,
wie es uns Jesus vorgelebt hat,
in den Armen und Kranken unserer Tage.
Das ist Wirklichkeit.

Weihnachten ist ein Aufbruch

In diesem Sinne verabschiede ich mich von euch.
Ganz herzliche Weihnachtsgrüße,
und Gottes Schutz und Segen für das Jahr 2005!

 

Anne Lonsdorfer

Anne Lonsdorfer, Mission catholique, BP 13 Bongor, Tchad
Bernhard Lonsdorfer,
berndorfer.kfm@t-online.de
Hedwig Lux, Höhenweg 24, 46147 Oberhausen, 0208/672595

Spendenkonto: Pax-Bank, Trier, BLZ 370 60 1 93 Kt.Nr. 300 000 40 10
Vermerk; 31 10 80 10 Spendenprojekt AF 10 Aidsprojekt Tchad